Ein alltäglicher Unfall: In Kalifornien kracht ein PKW in einen LKW, es gibt ein Todesopfer. Keine Sensation. Wäre da nicht der Umstand, dass es sich bei dem (schuldhaften) PKW um einen Tesla mit Autopilot handelte. Somit ist es der erste Unfall mit Todesfolge durch ein autonomes Auto. Prompt gerät Teslas Aktien unter Druck, interessiert sich ein Senatsausschuss für den Unfallhergang. Und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ wirft die Frage nach der Moral des Algorithmus auf: „Wen soll das Roboterauto im Zweifelsfall opfern?“. Und unausgesprochen steht die Erleichterung im Raum, dass das fahrerlose Auto doch nicht besser ist als das menschengesteuerte.
Tatsache ist, was immer derzeit an autonomen Fahrzeugen in den USA und in Europa unterwegs ist, ist nur Prototyp. Ein Experiment in einer Umgebung und innerhalb einer Infrastruktur, die im Grunde noch gar auf die Anforderungen autonomer Fahrzeuge ausgerichtet sind. Unterwegs, um Erfahrungen zu sammeln. Und Daten.
„Wir befinden uns momentan in der zweiten Phase der Entwicklung“, merkt Helmut Leopold an. Leopold ist Head of Digital Safety & Security des Austrian Institute of Technology (AIT) und forscht an autonomen Systemen. In der zweiten Phase fährt der PKW mit Hilfe von Sensoren und Autopilot, wobei der Fahrer jederzeit eingreifen kann.
Im nächsten Schritt wird der Fahrer gleichsam zum Notfallsystem, so das eigentliche System ausfällt. In der vierten und fünften Phase schließlich wird der Wagen vollautonom sein. Unter anderem dank der Car-to-Car Kommunikation.
Damit ist die Grundvoraussetzung für autonomes Fahren beschrieben. Es basiert darauf, dass die Autos miteinander und untereinander kommunizieren, sich austauschen, im Verkehrsfluss aufeinander bestimmen. In Verbund mit einem sensorbestückten Straßenraum, dessen Statusmeldungen ebenso ununterbrochen in das System jedes einzelnen Wagens einfließen. Zukunftsmusik. Noch.
„Vielen ist gar nicht bewusst, dass heute der Flugverkehr schon autonom erfolgt, die Piloten nur noch als Notfallsystem agieren“, so Leopold. Das AIT arbeitet an der lokführerlosen Lok, an fahrerlosen Traktoren, an „Intelligent Vision Systems“. „Das Problem, dem wir uns gerade in der dritten Phase, mit dem Fahrer als Notfallsystem, gegenübersehen, ist die Übung des Fahrers“, schildert Leopold die Herausforderungen. Piloten trainieren laufend im Simulator, um im Fall des Falles eingreifen zu können. Doch Autofahrer? Wie soll, wie kann ein ungeübter Fahrer in einer komplexen Situation richtig eingreifen? Ein Grund mehr, die nächste Stufe, die des vollautonomen Autos, rascher anzustreben. Um den Unsicherheitsfaktor Mensch auszuschalten. „Das autonome Fahren wird zu einer deutlichen Reduktion von Unfällen und Unfallopfern führen“, betont Leopold. Es liegen Berechnungen vor, wonach 90 Prozent aller heutigen Unfälle durch autonome Autos verhindert werden können. „Unfälle aber wird es immer geben“ sagt der Forscher. Situationen, in denen heute ein Mensch darüber entscheidet, ob er selbst oder andere zu Schaden kommen, oft genug intuitiv. „Wir kommen nicht umhin, der Maschine eine Moral zu programmieren. Es müssen ethische Muster festgelegt werden, über die allgemeiner Konsens besteht. Zum Beispiel, dass man selber den Nachteil, den Schaden auch an Leib und Leben, in Kauf nimmt. Diese Diskussion hat bereits begonnen und sie ist wesentlich.“ (fvk)
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