Konfliktforschung

Klima, Krieg und Katastrophen

Der syrische Bürgerkrieg, eine Folge des Klimawandels. So lässt sich US-Präsident Barack Obama vernehmen, so stellt es die wahlkämpfende Hillary Clinton in den Raum. Vor einem Jahr taucht die These erstmals auf. Ihr Autor ist Colin Kelley von der University of California.

© Jacob Valerio/Unsplash

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Kurz gefasst bezieht sich Kelley, und beziehen sich nach ihm andere Klimaforscher und nun eben auch die Politik, auf die Dürre der Jahre 2005 bis 2010, die als die längste, als die schlimmste Dürre gilt, die je in Syrien geherrscht hat. Zumindest seit es Aufzeichnungen zum Wettergeschehen gibt.

Die Auswirkungen, so Kelley & Co: Ernten fielen aus. Bauern fielen ins Elend. Teuerung und Mangel gingen Hand in Hand. Die Elendsquartiere in den Metropolen des Landes wuchsen an. Die Folge: Aufstand und Unruhe. Ein Land zerrissen in Fronten, aufgeteilt zwischen einander bekämpfender Soldateska und Terrormilizen. Millionen Flüchtlinge innerhalb Syriens, in den Nachbarländern, in Europa.

Klimaflüchtlinge, sagen die Klimaforscher rund um Colin Kelley, sagen US-Politiker. Und prognostizieren noch weitaus Schlimmeres, da Syrien eigentlich erst der Auftakt ist, die Overture zu einem Verteilungskampf von wahrhaft globalem Ausmaß. Die Zukunft – ein Schreckensbild.

© Splinter Suidman/Unsplash

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Halt. Stopp.

Da war noch etwas anderes. 2011 setzt sich von Tunesien ausgehend der „Arabische Frühling“ in Gang. Eine Revolution, die Ägypten erfasst und Libyen, die für Unruhen in Qatar sorgt, für eine Welle von Umstürzen, die alsbald, wie so viele Revolutionen im Laufe der Geschichte, fürs Erste scheitern, in einem Blutbad untergehen und alle Hoffnungen enttäuschen.

Syrien ist zu diesem Zeitpunkt nicht nur von einer Dürre historischen Ausmaßes getroffen. Syrien liegt inmitten des nahöstlichen Spannungsfeldes. Einerseits im steten (kalten) Krieg mit Israel, betroffen vom Bürgerkrieg im benachbarten Irak, in Konkurrenz zur machtbewusst aufstrebenden Türkei, andererseits seit Jahrzehnten schon mit der Sprengkraft fundamentalistischer sunnitischer Strömungen, nun ja, vertraut. 1982 schlagen die syrischen Streitkräfte Hafis al-Assads einen Aufstand der Muslimbrüder in Hama nieder. Die Opferzahlen werden auf bis zu 30.000 Menschen geschätzt. Die letzten Inhaftierten des Aufstands werden im November 2000 vom frischberufenen Präsidenten Baschar al-Assad amnestiert und aus den Gefängnissen entlassen.

Damals, nach dem Tod des langzeitherrschenden Vaters, herrscht Optimismus in Syrien. Der Sohn lockert hier die Zügel, amnestiert dort ein wenig. Er wird in einem Atemzug mit Abdullah von Jordanien genannt und mit Mohammed von Marokko. Die junge Garde, die, westlich orientiert und ausgebildet, für Reformen sorgen wird, für ein neues Klima in der arabischen Welt.

Von 2001 bis 2002 dauert der Damaszener Frühling. Ein kurzes, hoffnungsvolles Jahr. Dann folgt unvermittelt der Damaszener Winter, als Reaktion auf die immer unverhohlener vorgetragenen Reformwünsche der Bevölkerung, mit Schauprozessen und einer Rücknahme der bisher erfolgten Reformen.

© Darell Chadock/Unsplash

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Mag nun auch von Frühling und Winter die Rede sein, aber alles das lassen die Proponenten der These vom ersten Klimakrieg und von den Klimaflüchtlingen außer Acht.

Dass die Dürre Auswirkungen auf das soziale Leben in Syrien hatte, davon kann mit Fug und Recht ausgegangen werden. Mehr Auswirkungen hatten indes die Flüchtlingsströme aus dem Irak, die nach Syrien gelangten, die die Infrastruktur des Landes noch mehr belasteten. Auswirkungen hat vor allem der frühe Verlauf des „Arabischen Frühlings“, der Sturz Mubaraks, das Ende Ghaddafis im Straßengraben – die Revolution als Künderin einer besseren Zukunft. Das lassen Kelley et. al. außer Acht.

Dito die Frage, weswegen die Dürre nur auf Syrien derart katastrophale Auswirkungen gehabt haben soll, nicht aber auf die anderen Länder der Region? Was ist mit Jordanien? Was mit Libanon? Beides Staaten an den Grenzen ihrer Belastbarkeit in jeder Hinsicht, volatil-fragile Gebilde, die dennoch bisher erstaunlich stabil geblieben sind.

Schon machen noch schlimmere Szenarien die Runde. Von bis zu einer halben Milliarde Menschen auf der Flucht vor den Folgen der globalen Erwärmung ist zu lesen und zu hören. Menschen, die sich aus dem ungleich stärker betroffenen Süden nach dem Norden wenden werden, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen.

© Tyler Barnes/Unsplash

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Zeit, einen Schritt oder zwei zurück zu machen.

Unbestritten ist, der Klimawandel wird zu einem Mehr an Wetterextremen führen.

Unbestritten ist, dass die Menschheit weltweit von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein wird. Und unbestritten ist, dass der Nahe Osten so wie große Teile Afrikas ungleich stärker davon betroffen sein werden als Europa oder die USA.

Man könnte auch sagen, dass jene Staaten, die über ein Mindestmaß an Infrastruktur, an einem sozialen Netz, an Bildungseinrichtungen, an einer innovationsgetriebenen Wirtschaft besser mit den Folgen werden umgehen können als das Gros der Schwellenländer. Sie werden sie besser abfedern können.

Unbestritten ist freilich auch, dass in den USA der Klimawandel nach wie vor von maßgeblichen Teilen der Politik mit geradezu religiösem Eifer rundheraus in Abrede gestellt wird.

Sohin ergibt sich ein etwas anderes Bild. Indem US-Forscher und Politiker dem Klimawandel eine zusätzliche, außen- und sicherheitspolitische Dimension verleihen, haben sie die Chance, innenpolitisch endlich wahrgenommen zu werden. Frei nach dem Motto: Schenkt ihr der reinen Faktenlage keinen Glauben, dann bewirken Dystopien vielleicht ein Umdenken.

Politisch mag das als ein probates Mittel gelten. Wenigstens auf kurze Sicht und um das Faktum eines Wandels in der Gesellschaft zu verankern.

Mittel- und langfristig ist es indes höchst fragwürdig. Indem ein apokalyptisches Bild entworfen wird, wird eine Unausweichlichkeit insinuiert, der man nichts entgegensetzen kann.

© Bhavyesh Acharya/Unsplash

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Doch gerade den Folgen des Klimawandels lässt sich entgegenwirken. Das Wissen, die Technologien, die Instrumentarien sind vorhanden. Vor knapp einem Jahr hat der schwedische Forscher Johan Rockström sie im Rahmen eines vom IIASA und dem Forum Alpbach veranstalteten Vortrags in Wien dargelegt. Das wäre, das ist im Grunde die Aufgabe der Wissenschaft, Fragen zu beantworten, Lösungswege zu skizzieren, das Mögliche ersichtlich zu machen. Darauf sollte die Politik Bezug nehmen. Nicht auf die Apokalypse. (fvk)

Und noch ein Videotipp: „In Damascus“ von Waref Abu Quba: Sehenswert.