Szenarien der Zukunft

Ein Abend im März. Forum Alpbach und das International Institute for Applied System Analytics haben geladen. Ein schon ewiges Thema: Nachhaltigkeit. Es spricht Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centers. Nun ist Rockström in gewisser Weise ein Star. Zumindest in Schweden, wo er zwei Mal bereits zum „Man of the Year“ gewählt wurde. Wo er als Forscher in der Öffentlichkeit ebenso viel Gewicht hat wie Wirtschaftsmagnaten oder Politiker.

Rockström also. Und er legt los. Erst einmal die Bestandsaufnahme unseres Planeten, dann die Prognosen, so sich nichts ändert. Aber dann der Bruch: Gegensteuern ist möglich, sagt Rockström. Es ist möglich und es geht ohne Einbußen an Lebensqualität.

Es geht ohne Verzicht.

„Die Gesellschaft sehnt sich nach dem Zustand des Holozän“, sagt Rockström. Das Holozän gleichsam als Paradies, als Garten Eden, als Idealzustand.

Vorbei, sagt Rockström. Streichen Sie das Holozän. Vergessen Sie das Paradies. „Wir leben im Anthropozän“ ruft Rockström dem Publikum zu. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir haben die Welt verändert, wir verändern sie, wir werden sie verändern. Die menschliche Aktivität – eine Naturgewalt. Und aus diesem Kreis gibt es kein Entkommen, keine Ausfahrt in Richtung Holozän.

Rück- und Ausblick. In Szene gesetzt von Laura Cattaneo.

Rück- und Ausblick. In Szene gesetzt von Laura Cattaneo.

Zugegeben, die Zeit drängt. Das sieht auch Rockström so. Eigentlich ist gerade das sein Hauptargument: „Die Belastung des Erdsystems durch den Menschen hat ein Ausmaß erreicht, bei dem plötzliche globale Veränderungen der Umwelt nicht mehr auszuschließen sind. Um weiterhin sicher leben zu können, muss der Mensch innerhalb bestimmter kritischer und fester Grenzen der Umwelt agieren und die Natur der klimatischen, geophysikalischen, atmosphärischen und ökologischen Prozesse im Erdsystem respektieren.“

Die globalen biophysikalischen Grenzen also, die beschreibt Rockström gemeinsam mit 27 weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits im Jahr 2009 in einem Nature-Beitrag. 2015 wird eine aktualisierte Version der „Planetary Boundaries“ in Science publiziert. Innerhalb dieser Grenzen kann sich die menschliche Zivilisation entwickeln. Grenzüberschreitungen aber destabilisieren das gesamte Erdsystem.

In den Bereichen Klimawandel, biologische Vielfalt und Stickstoffeintrag in die Biosphäre, da sind die Grenzen deutlich überschritten. Und in anderen Bereichen wie der Versauerung der Ozeane oder Landnutzung sieht es auch nicht danach aus, als könnten Grenzen noch eingehalten werden.

Trotzdem: Rockström strahlt Zuversicht aus. „Betrachten wir einmal den Bereich der Ozonschicht. Hier, sehen Sie, da ist die Grenze deutlich überschritten. Da sind wir deutlich im roten Bereich. Und hier, da gelangen wir wieder in den grünen Bereich. Und warum? Weil Gegenmaßnahmen eingeleitet worden sind. Weil wir unser Wissen und unsere Technologien eingesetzt haben.“

Das ist Rockströms Beispiel. Das ist zugleich sein Credo. Eben weil wir nun im Anthropozän leben, weil wir über die Wissenschaften verfügen, weil wir technologisch dazu in der Lage sind, ist es uns möglich, Entwicklungen zu korrigieren. Nachhaltig zu korrigieren. Um dann innerhalb der Grenzen ein sicheres, vernünftiges und zukunftsfähiges Leben zu leben.

Nicht mit Grenzen, vielmehr mit dem Zusammenhang zwischen Landnutzung und lokaler Biodiversität beschäftigt sich eine Studie, die im April in Nature publiziert wurde. Die Forscher arbeiteten sich durch 280 Publikationen und zurück bis in das Jahr 1500. Eines ihrer Ergebnisse: Zwischen dem Beginn der Industrialisierung und dem Jahr 2005 ist die durchschnittliche Anzahl an Arten in lokalen Ökosystemen um 14 Prozent zurückgegangen.

Mit dem Rückblick alleine sich die Studie indes nicht. Sie skizziert Szenarien auch der Zukunft. Szenarien, die, so der leitende Wissenschaftler Andy Purvis (Natural History Museum London), in unserer Hand liegen. „Machen wir weiter wie bisher, geht der Verlust ungebremst weiter. Leitet die Gesellschaft aber Gegenmaßnahmen ein und bremst den Klimawandel durch eine ordentliche Bewertung der Wälder, dann können wir den Verlust an lokaler Biodiversität der letzten 50 Jahre ausgleichen.“

Die Wissenschaften als Grundlage für die Rettung der Welt. Das klingt gut. (fvk)

 

Die gesamte Lecture Johan Rockströms als Video finden Sie hier.

Gläserner Schatz

Ein Seestiefmütterchen. Lebensecht. Aus Glas.

Ein Seestiefmütterchen. Lebensecht. Aus Glas.

Es braucht bisweilen ein Jubiläum. Zum Beispiel das 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien. Diesem ist es letztendlich zu verdanken, dass wahre Schätze ans Tageslicht gelangen. Und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Wie die tatsächlich grandiosen Glasmodelle von Vater Leopold und Sohn Rudolph Blaschka.

Die beiden Glasbläser, Künstler und Naturforscher erschufen ab 1863 gläserne Modelle unterseeischer Lebewesen. Wie sie sie erschufen, das ist unbekannt. Blaschkas gaben ihr Wissen nicht weiter. Sicher ist, dass sie zum Teil lebende Tiere als Vorlage nutzten. Die hielten sie in einem Aquarium. Ansonsten griffen sie auf Zeichnungen zurück.

Einem Schmuckstück gleich: die gläserne Perlenkettenqualle.

Einem Schmuckstück gleich: die gläserne Perlenkettenqualle.

Insgesamt schufen Vater und Sohn Blaschka tausende gläserner Modelle. Mit 146 dieser Werke besitzt die Universität Wien den zweitgrößten Blaschka-Bestand in Europa. Ursprünglich für die Lehre verwendet, gerieten die Exponate nach der Zwischenkriegszeit in Vergessenheit. 1990 wurden sie auf einem Zwischenboden wiederentdeckt.

Im Museum. Nicht auf dem Markt. Oktopus aus Blaschkas Werkstatt.

Im Museum. Nicht auf dem Markt. Oktopus aus Blaschkas Werkstatt.

Eine Auswahl ist derzeit im Wiener Naturhistorischen Museum zusehen. Bis 31. August werden unter dem Titel „Das Wissen der Dinge“ Objekte aus den Lehr- und Forschungssammlungen der Universität Wien erstmals einem breiteren Publikum präsentiert.

Die weltweit größte Sammlung an Blaschka-Modellen nennt allerdings die Universität Harvard, in den USA, ihr Eigentum. Dort sind die schönen Stücke auch dauernd ausgestellt. (fvk)