CRISPR

Wollmammuts Wiederkehr

Nashorn, Afrikanischer Elefant, Löwe und Gepard – allesamt Arten unter extremen Druck. Vom Aussterben in freier Wildbahn akut bedroht. Wenn die Wilderei nicht gestoppt, die Habitate nicht gesichert werden. Eine Mammutaufgabe.

© NHM Wien/Kurt Kracher

© NHM Wien/Kurt Kracher

Der Molekularbiologe George Church propagiert eine andere – die Wiederkehr des Wollmammuts. Damit sorgt er für Schlagzeilen, selbst wenn er eingestehen muss, dass es sich bei dem Tier, welches da binnen zweier Jahre ins Leben gesetzt werden soll, eigentlich um einen hybriden Elefanten-Mammut-Embryo handeln wird, um einen „Mammufant“.

Möglich ist das. Das geht. Das ist nicht Science Fiction, das hat auch nichts mit Jurrasic Park zu tun. Ist die Erbinformation vorhanden, und gibt es noch Restbestände der Population, oder gibt es überlebende nächste Verwandte, dann kann die alte DNA im Sinne des Wortes eingesetzt werden.

Die DNA des Mammuts ist bekannt und extrahiert. Sie liegt vor. Sie könnte, sie kann – mittels der „Genschere“ CRISPR-cas9, jener Methode, die es erlaubt, mit höchster Präzision in das Erbmaterial einzugreifen und Gene gezielt zu verändern – nun eingesetzt werden, um ein Lebewesen zu kreieren, welches „mehr ein Elefant mit einer Reihe von Mammut-Merkmalen ist“, so Church. Also definitiv kein Wollmammut, wie es vor 4.000 Jahren noch durch die Tundra zog.

Doch wozu? Worin liegt der tiefere Sinn, das Mammut oder andere, längst verschwundene Tierarten, gleichsam auferstehen zu lassen? George Church argumentiert, durch die Modifikationen ließe sich der ebenfalls vom Aussterben bedrohte Asiatische Elefant in etwas anderer Form erhalten. In kühleren Habitaten. In Sibirien zum Beispiel oder in Alaska.

In den USA wird diese Frage schon seit 2015 immer wieder und höchst kontroversiell diskutiert.

Die Befürworter rund um Church setzen bei einer prinzipiellen Frage an: Warum schützen wir denn überhaupt Tiere? Elefanten in Afrika, Eisbären in der Polarregion oder Pandas in China. Warum wird in diese Bemühungen so viel an Zeit, Energie und auch an finanziellen Mitteln investiert?

Um die Biodiversität dieses Planeten nicht zu verlieren. Um Arten, die eine wichtige ökologische Rolle einnehmen, zu schützen. Um ganze Ökosysteme zu erhalten. Um zu lernen. Und: Um ein wenig von dem wiedergutzumachen, was die Spezies Homo sapiens anderen Lebewesen angetan hat. Dem Dodo zum Beispiel, oder der Amerikanischen Wandertaube.

„Alle diese Gründe“, so der Biologe und Publizist Stewart Brand, „treffen auch auf die Frage zu, warum wir ausgestorbene Arten wieder ins Leben rufen sollen. Und noch mehr: Allein die Vorstellung, dass Herden von Mammuts wieder durch den Hohen Norden streifen; oder dass regelrechte Wolken von Wandertauben im Himmel über Amerika wieder die Sonne verdunkeln. Es wäre eine Neuausrichtung unserer Möglichkeiten, vergleichbar der ersten Landung auf dem Mond.“

Amerikanische Wandertaube 1898 © Wikimedia/J.G. Hubbard, Internet Archive Book Images

Amerikanische Wandertaube 1898 © Wikimedia/J.G. Hubbard, Internet Archive Book Images

Die Wandertaube war einst in Nordamerika in Millionen, in Milliarden vertreten. Beliebt, weil einfach zu bejagen und schmackhaft. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war sie ausgerottet. Bis auf das letzte Exemplar. Das warnende Beispiel des Vogels vor Augen, wurden Anstrengungen unternommen, wenigstens die Restbestände des Bisons zu retten. Brand: „Dieses Ereignis stand am Beginn der Idee und dann der Praxis, bedrohte Tierarten zu schützen. Wie gut wäre es, diesen menschlichen Fehler, der den modernen Schutzgedanken hervorrief, zu revidieren.“

„Sollen wir?“, fragt hingegen Paul R. Ehrlich, Professor for Population Studies an der Stanford University. „Sollen wir? Oder, noch wichtiger: Können wir? Wäre es denn wirklich möglich?“ Aus wissenschaftlicher Sicht sicherlich, hält Ehrlich fest. Die Fortschritte in der Forschung, vor allem im Bereich der Genetik, innerhalb kürzester Zeit sind atemberaubend.

Wozu aber? Es wäre eine falsche Investition, meint Ehrlich. „Es ist viel sinnvoller, die ohnehin limitierten Ressourcen für Forschung und Schutz darauf zu konzentrieren, die Ausrottung zu verhindern. Indem die Gründe dafür endlich angegangen werden: Die Zerstörung von Lebensraum, Klimawandel, Verschmutzung, Überfischung und so weiter.“

Es gingen die Befürworter auch von falschen Erwartungen aus, so Ehrlich. In welchen Habitaten sollten die Tiere denn leben? Die endlosen Wälder, welche der Wandertaube als Lebensraum dienten, sind verschwunden. Die amerikanische Kastanie, von deren Früchten sich der Vogel ernährte, ist – wie die Taube – praktisch ausgestorben.

Vor allem aber: „Wenn die Menschen beginnen, eine ,Jurassic-Park-Zukunft‘ ernst zu nehmen, werden sie weniger unternehmen, das gegenwärtige sechste Massensterben zu verhindern.“

Mammut nicht Mammufant beim Festtreten sibirischen Schnees © NHM Wien/Kurt Kracher

Mammut nicht Mammufant beim Festtreten sibirischen Schnees © NHM Wien/Kurt Kracher

George Church, der das „Mammut-Projekt“ im Rahmen des Jahrestreffen der „American Association for the Advancement of Science“ (AAAS) in Boston vorstellte, hegt unterdessen große Erwartungen. Zum einen solle so der Asiatische Elefant vor dem Aussterben bewahrt werden, zum anderen solle den Auswirkungen des Klimawandels entgegengewirkt werden. Der „Mammufant“ könnte, indem er Schnee festtritt, das Auftauen des Permafrostbodens und damit das Entweichen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre verhindern. So Church, der gerne in großen Zusammenhängen denkt.

Bei dem Jahrestreffen der AAAS geht es indes heuer vor allem um Fragen der Ethik im Zusammenhang mit Gentechnik. George Church und sein Projekt tragen so gesehen wesentlich dazu bei, dass diese Fragen in allen ihren möglichen Auswirkungen erörtert werden. (fvk)