Wer wählen darf und warum, darauf gibt das Gesetz eine klare Antwort: Wählen darf in Österreich wer die österreichische Staatsbürgerschaft hat und zu einem Stichtag mindestens 16 Jahre alt ist.
So klar ist das und so einfach. Und nichts ist damit einfach, wenn in einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern dadurch rund ein Drittel der Bevölkerung nicht wählen kann – weil sie keine Staatsbürger sind. Wenn mithin ein Drittel der Bevölkerung, von denen wiederum das Gros einer Arbeit nachgeht, Steuern zahlt und wesentlich zum Leben der Stadt beiträgt, schlichtweg vom politischen Willensbildungsprozess ausgeschlossen wird.
Weswegen die Diskussion um das Wahlrecht für ausländische Mitbürger im Vorfeld der Wiener Gemeinderats- und Landtagswahlen wieder aufgeflackert ist. Versehen mit Emotion und starren Standpunkten.
Im Kern sei das Wahlrecht ein Staatsbürgerprivileg. In vielen Anläufen und gegen viel Widerstand im Laufe von Jahrzehnten über zwei Jahrhunderte errungen. Sagen die einen. Und führen weiter aus, dass, wer mitwirken wolle, sich eben um die Staatsbürgerschaft bemühen solle. Dann sei alles gut, verbunden mit allen Rechten und Pflichten.
Das sei der Weg zur Mitbestimmung.
Dabei sieht die Europäische Union wenigstens auf Gemeindeebene anderes vor. Hier haben EU-Bürger das aktive Wahlrecht. Prinzipiell.
Nur ist Wien eben auch Land, ist der Wiener Gemeinderat auch Landtag, womit dieses Recht der EU-Bürger sich auf die Wahl zu den Bezirksvertretungen reduziert. Mitsprache sieht anders aus.
Drittstaatsangehörigen, also Menschen etwa serbischer oder türkischer Staatsangehörigkeit, bleibt selbst diese Form verwehrt. Ein Zustand, der aus demokratiepolitischer Sicht unhaltbar sein, sagen die anderen.
Dabei haben sie etwa als Studenten das Recht, an den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) teilzunehmen. Sie haben auch das Recht, an den Wahlen der Wirtschaftskammer teilzunehmen – wenn in ihrem Herkunftsland Österreichern das gleiche Recht zugestanden wird. Es gibt sie also, die Möglichkeit der Mitbestimmung unabhängig von der Staatsbürgerschaft.
Nun ist der Wiener Gemeinderat und Landtag von anderem Gewicht als die ÖH oder die Wirtschaftskammer. Vom Österreichischen Nationalrat gar nicht erst zu reden. Aber, diese Beispiele zeigen, dass es durchaus möglich ist, das Wahlrecht auszuweiten, ohne dass Loyalitätskonflikte (die ausländischen Mitbürgern in Bausch und Bogen unterstellt werden) auch nur die geringste Rolle spielen. Weder in der Studentenvertretung noch im Wirtschaftsparlament haben sich türkische oder serbische oder andere Gruppierungen etabliert. Es dominieren die klassischen österreichischen Parteien.
Die Debatte wird bleiben. Selbst wenn es von links bis rechts herrschender Konsens ist, dass nun wirklich keine Notwendigkeit besteht, die Debatte zu führen. Tatsache ist, dass ein steigender Anteil der Bevölkerung von einem wesentlichen Instrument der Teilhabe ausgeschlossen bleibt. Und das in Zeiten der europäischen Integration. Mehr noch, in Zeiten, in denen die Demokratie in vielen Ländern unter Druck gerät. Weswegen es vielleicht umso wichtiger wäre, Menschen aus diesen Ländern hier mitstimmen zu lassen. Weil sie dieses Recht, den Gedanken der Demokratie dann auch wieder in ihre Herkunftsländer tragen. Wenn schon nicht alle, so doch wenigstens viele.
Zumal das Wahlrecht in sich die Möglichkeit einer differenzierten Teilnahme ermöglicht. Es gibt das aktive und das passive Wahlrecht. Also das Recht zu wählen, und das Recht gewählt zu werden.
Es ließe sich also das aktive Wahlrecht von den österreichischen Staatsbürgern ausdehnen auf EU-Bürger und – nach einer gewissen Aufenthaltsdauer – auch auf Drittstaatsangehörige.
Das passive Wahlrecht hingegen bliebe einzig und allein und ausschließlich österreichischen Staatsbürgern vorbehalten. Und den Bundespräsidenten, den wählen nur die Österreicher unter sich aus. So einfach könnt es sein. (fksk/11.10.20)