Woche 05 – Legitimer politischer Protest

Nach einem Jahr und einem Monat erklärt die Republikanische Partei, was der 6. Jänner 2021 tatsächlich war: legitimer politischer Protest. Das hat etwas.

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Wenn ein Mob mit Gewalt das Parlament stürmt, Polizisten verletzt, Morddrohungen ausstoßend nach Politkern durch das Haus und von Büro zu Büro zieht, dann ist das also ein ganz normaler politischer Protest. Sozusagen ein Grundrecht aufrecht freiheitsliebender Amerikaner. Gelebter Verfassungspatriotismus.

Vielen Dank! Wie konnte die Welt das auch nur so sehr missverstehen?

Peking und Moskau sollten Dankesschreiben an die Republikanische Partei aufgesetzen. Wenn demnächst vielleicht russische Truppen die ukrainische Grenze überqueren, dann ist das nichts anderes als der legitime Dialog zwischen zwei Staaten. Und sollte die Volksrepublik im Laufe der nächsten Jahre Taiwan besetzen und sich einverleiben, dann ist das eine legitime Versuch, Differenzen zu beseitigen. Kein Grund, sich aufzuregen, Protest einzulegen oder was sonst noch anstünde. Es ist alles in Ordnung. Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen. Das ist eine neue Qualität.

Gut, ganz so neu ist das nicht. Dafür ist es immer wieder erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit wagemutige Interpretationen abgegeben werden. Wenn zum Beispiel der frischbestellte Leiter des Kärntner Verfassungsdienstes seine Teilnahme an den Ulrichsbergtreffen der Jahre 2008 und 2010 damit rechtfertigt, man habe als ÖVP (der er damals als Klubobmann im Kärtner Landtag diente) das Treffen nicht den Rechtsextremen überlassen wollen.

Auch fesch. Da treffen einander Jahr für Jahr ehemaliger SSler, Rechtsextreme und Neonazis am Ulrichsberg, da wird diese Veranstaltung Jahr für Jahr thematisiert und kritisiert, da weiß man genau, welchem Ungeist dort gehuldigt wird, aber Herr Tauschitz und seine Partei wollen „über die Toten nicht richten“ und eine rechtsextreme Veranstung nicht den Rechtsextremen überlassen. Wenigstens letzteres ist ein mutiger Ansatz.

Wie gesagt. Hier gibt es nichts zu sehen. Man möchte meinen, die Republikanische Partei hat sich ein paar strategische Berater aus Österreich kommen lassen. Das Muster ist das gleiche. (fksk, 06.02.22)

Franziskus von Kerssenbrock

* 1966 Author, Journalist, Communications Expert Have written for various German and Austrian media (as DIE ZEIT, profil, DER STANDARD, HI!TECH, MERIAN, e.a.) Editor-in-chief at UNIVERSUM MAGAZIN Media Relations for Wirtschaftskammer Wien Head of Corporate Communications Oesterreichische Akademie der Wissenschaften Married, one son