Guiliani

Woche 47 – (K)eine vorweihnachtliche Geschichte

Die gute Nachricht dieser Tage kommt – aus den USA. In dem zerzausten und von vielen als unansehnlich bezeichneten Christbaum vor dem New Yorker Rockefeller Center ist eine kleine Eule gefunden worden. Drei Tage war der Sägekauz, der zuvor schon das Fällen des Baums überstanden hat, unterwegs in die große Stadt und wird gegenwärtig wieder aufgepäppelt. „Rockefeller“, wie der Vogel genannt wird, soll demnächst ausgewildert werden.

© Phil Hearing / unsplash.coom

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Eine Vorweihnachtsgeschichte mit Happy End, die in Zeiten wie diesen schlichtweg wohltut.

Dafür verzeihen die New Yorker dem Baum auch sein Aussehen.

Überhaupt, die Bäume dieses Jahres. Der Wiener wurde ebenso mit harschen Worten bedacht wie jener in Frankfurt und der in Übersee. Nur Frau Merkel in Berlin erhält ein Prachtexemplar. Berichtet wenigstens die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihrer Titelseite. Die muss es wissen.

Was die Welt indes noch nicht weiß, ist, wie Frau Trump das Weiße Haus dieses Jahr zu schmücken gedenkt. Die Kritiken der vergangenen Weihnachten waren alles andere als freundlich.

Gut möglich, dass Trumps heuer überhaupt auf festliches Gepränge verzichten. Langsam wird sich auch im Präsidentensitz herumgesprochen haben, dass die Wahl verloren ist. Allen Bemühungen des umtriebigen Rudy Guiliani zum Trotz. Und der Mann hat einiges drauf. Einerlei, ob er vor einem Garten- und gleich neben einem Erotikcenter eine Pressekonferenz abhält oder ob ihm der Schweiß tiefschwarz über die Wangen rinnt, er gibt alles. Für 20.000 US-Dollar Honorar pro Tag. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Mitte Dezember kommt das Wahlmännergremium in Washington DC zusammen, um den neuen Präsidenten endgültig zu küren.

Worin Guiliani und Konsorten, allen voran der abgewählte Präsident, indes erfolgreich waren, ist, dass eine Dolchstoßlegende Raum greift. Es hätten Tote für die Demokraten gestimmt (was Wunder, wenn die Wahlen kurz nach Halloween stattfinden), es seien illegale Stimmen gezählt worden, die Wahl sei eigentlich gewonnen, aber durch venezolanische Kommunisten unter dem Kommando des bereits vor Jahren verblichenen Hugo Chavez manipuliert worden. (*)

Eigentlich könnten die USA stolz auf diese Wahlen sein. Auf die hohe Wahlbeteiligung ebenso wie darauf, dass sie allen Hindernissen und Befürchtungen zum Trotz sauber und ohne Zwischenfälle vonstatten gegangen ist. In einer anderen Welt hätte der unterlegene Amtsinhaber stolz darauf verwiesen, dass er so viele Stimmen gewonnen hat, wie nie zuvor ein Amtsinhaber vor ihm. Bedauernd aber anerkennend hätte er hinzugefügt, dass der Herausforderer noch mehr Zuspruch erfahren hat. Ebenfalls so viel wie kein anderer Kandidat in der Geschichte der USA. In einer anderen Welt trüge diese Wahl zu einer Kräftigung der Demokratie und der demokratischen Prozesse bei.

Die Realität gleichwohl gibt sich hässlich. Das Weiße Haus gleicht einer Trutzburg der Niedertracht.  Die Unterstellungen, der Mythos von der gestohlenen Wahl, der Zweifel an der Demokratie, das alles bleibt. Es wirkt wie Gift in einer Gesellschaft, die sich ihrer selbst unsicher ist.

Bislang haben die Institutionen der USA bewiesen, dass auf sie Verlass ist. Sie funktionieren, sie tragen die Republik, sie hegen selbst einen Autokraten ein. So der Ansturm nicht zu lange dauert. In seiner Weigerung, die Niederlage einzugestehen und den eingeübten Ritualen des geordneten Machtwechsels zu folgen, prolongiert der abgewählte Präsident den Angriff auf die demokratischen Fundamente der USA. Mit unabsehbaren Folgen.

Angesichts des Trolls von Washington ist die Meldung über das Abenteuer des kleinen Sägekauzes in New York kurzzeitig eine willkommene Ablenkung. Er wird freilich bald wieder vergessen sein. Trumps Twittertiraden nicht. (fksk/22.11.20)

(*): Update: Diese These, geäußert von der Anwältin Sidney Powell aus dem Rechtsanwaltsteam Trump, war denn auch den Juristen wie den Wahlkampfteam zu bizarr. Frau Powell wurde aus dem Team ausgeschlossen. (fksk/23.11.20)