Mikl-Leitner

Woche 50 – Kultur. Kampf. Krampf.

Gendern wird in Bayern nun verboten, Herrn Söder freuts. Frau Mikl-Leitner ist ihm in dieser Sache weit voraus und hat das Verbot im Lande unter der Enns schon längst unter Dach und Fach während in Hessen Sozial- und Christdemokraten großkoalitionär mit einem entsprechenden Schlussstrich liebäugeln. Wobei der sich jeweils nur auf amtliche Schreiben des jeweiligen Landes erstreckt. Auf Briefe vom Land.

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Wenn aber des bayerischen Ministerpräsidenten Augen dabei vor Vergnügen blitzen und ihm die Genugtuung darüber ins Gesicht geschrieben steht, dann geht es um mehr als nur um landesamtlichen Schriftverkehr, dann geht es um einen Sieg in einem Kampf, den der Bayer als wichtig erachtet, es geht um einen Sieg im Kulturkampf, den er sich stolz auf die Fahnen heftet.

Es braucht keine konservative oder gar reaktionäre Haltung, das Sternchensetzen, das Arbeiten mit Unterstrich oder Doppelpunkt, die kurze Pause, den Glottisschlag, das andauernde Deklinieren beider Geschlechter und die Anrufung vieler empfundener sexueller Identitäten in seiner strengen Auslegung und in seinem strikten Einfordern als grotesk und aufgezwungen zu empfinden. Tatsächlich geht ja damit die Zielvorgabe einher, über eine korrekte Sprache eine andere, eine bessere, gerechtere Gesellschaft zu formen. Ein hehres Ziel, verfolgt mit puritanischem Eifer.

Dazu wird mit der Sprache das wichtigste menschliche Ausdrucksmittel instrumentalisiert und normiert, was notwendigerweise Widerspruch hervorruft. Wer lässt sich denn gerne vorschreiben was und wie er dieses zu sagen hat? Zumal wenn die Welt sich wandelt, schneller als einem lieb ist und das, was gestern noch Bestand hatte, heute nichts mehr gilt. Weshalb, zum Teufel, sollte man darauf nicht reagieren können, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Also durchaus auch krumm und hart, böse und verletzend.

Das ist befreiend.

Das kann sich indes im Handumdrehen verselbstständigen und in brodelndes Wüten wandeln.

Das hat sich verselbstständigt. Grob ist der Ton, der nun floriert. In Foren und auf Manifestationen, brüllend vorgebracht, im Chor gegrölt, wider die da oben, gegen die Eliten, gegen alles, was Änderung bedeutet, allen voran gegen Sprech- und Sprachverbote, ob nur gefühlt oder real, aber auf jeden Fall und unbedingt dagegen, dass einem nun die Sprache genommen, man zum Sprachlosen werden soll. Gefühlt. Mithin also wahr.

Was die „woke“ Linke erdacht, diskutiert, entworfen und – um die Verhältnisse in ihrem Kern zu verändern – gezielt und dogmatisch in den öffentlichen Raum eingebracht hat, ist nun der Rechten fettes Kapital. Es öffnet ihr Zugang zur bürgerlichen Mitte. Denn es ist die politisch randständige Rechte, die sich lauthals gegen die politisch korrekte Sprache wendet, die sich sagen traut, was andere sich nicht mehr trauen, wenigstens nicht laut. Die Sprachrohr und Verstärker des unbestimmten Unbehagens wird, die selbstredend bei der Sprache nicht halt macht, sondern in einem Aufwaschen alles, was ihr im Weg steht, zur Agenda einer verschworenen Elite erklärt, zu einer Weltverschwörung, beginnend bei der Sprache.

Um die Sprache an sich geht es dabei den einen so wenig wie den anderen. Dass sie widerspenstig sein kann, zweideutig, mehrdeutig, unbestimmt, kraftvoll und pointiert, verletzend, beunruhigend, berauschend und sezierend, subversiv und erschütternd, dass sie Welten öffnet, dem Geist zu denken gibt und Grenzen verschiebt, indem sie sie überschreitet, das alles ist den Puristen der gereinigten Sprache so wenig wichtig wie es ihren selbsternannten Verteidigern ist. Viel eher ist es beiden Gruppen ein Dorn im Auge, unkontrollierbar, anarchisch und wild.

Weswegen sie noch verbissener und vehementer um ihren Einfluss auf die Sprachwelt ringen und um die Kompetenz, Dinge in ihrem Sinne zu benennen. Ein für alle Mal und um dieses Kapitel des Kulturkampfes für sich zu entscheiden.

Ein Gesetz, eine Verordnung ist schnell formuliert. Was als überfälliges Machtwort in einem Kulturkampf inszeniert wird, ist nichts weniger als das Eingeständnis  intellektueller Faulheit. Es ist ein Pyrrhussieg, den Söder-Mikl-Leitner und Co als Moment ihrer Stärke zelebrieren. Er öffnet den Extremen nur Tür und Tor, noch mehr Deutungshoheit für sich zu beanspruchen. (fksk, 17.12.23)