Verfassung

Woche 51 – Kraft des Gesetzes

Nun also doch. Das Höchstgericht des US-Bundesstaates Colorado streicht Trump von der Wahlliste der Vorwahlen. Trump, so das Gericht, habe gegen die Aufstandsklausel des 14. Verfassungszusatzes verstoßen. Demzufolge sind Personen, die im Amt einen Umsturzversuch oder eine Rebellion gegen die verfassungsmäßige Ordnung der USA unterstützen, nicht amtsfähig. Weder jetzt noch in Zukunft.

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Selbstverständlich geht Trump in die Berufung, der Verfassungszusatz beziehe sich nicht auf den Präsidenten argumentieren seine Anwälte. Selbstverständlich wird sich in absehbarer Zeit der Supreme Court der Vereinigten Staaten mit dieser Frage auseinandersetzen müssen – auch wenn er damit noch zuwartet.

Unabhängig davon, wie der Ratschluss der Höchstrichter ausfallen mag, argumentieren unterdessen viele Kommentatoren, es sei nicht an den Gerichten als vielmehr an den Wählern, ein endgültiges Verdikt über Trump und den 6. Jänner 2021 zu fällen. Der Demokratie wegen und weil ihre Bürger die letzte Instanz seien, nicht die Gerichte.

Das ist schön gedacht. Übersieht indes eine Reihe wesentlicher Punkte.

Dass die Demokratie ganz legal unter Druck geraten kann, dass sie ganz demokratisch außer Kraft gesetzt werden kann, das hat es alles schon gegeben. Aus eigenem Erfahren hat beispielsweise Deutschland daher in seinem Grundgesetz die Ewigkeitsklausel niedergeschrieben. Sie besagt, dass der Kern der Grundrechte, die Menschenrechte, die demokratisch-republikanische Staatsform und die Gesamtstruktur der Bundesrepublik von Verfassungsänderungen nicht berührt werden darf. Und sollten diese Prinzipien von Änderungen betroffen sein, dass diese rechtswidrig sind.

Auch die US-Verfassung kennt solche defensive Bestimmungen, den zuvor erwähnten dritten Abschnitt des 14. Verfassungszusatzes zum Beispiel. Wobei defensiv in diesem Fall nicht passiv verstanden werden darf, als vielmehr präventiv und vorausblickend aktiv. Recht und Gesetz sind scharfe Instrumente, die es einer Demokratie ermöglichen, ihren Gegnern effektiv entgegenzutreten, als eine wehrhafte Demokratie.

In aller Regel müssen diese Grundsätze nicht eigens bemüht werden. Weswegen sie in den Hintergrund treten, aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwinden. Ihrer Gültigkeit tut dies indes keinen Abbruch. Wenn sie nun also im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und sie von Gerichten als Grundlage einer Entscheidung herangezogen werden, dann ist das nicht etwa jene politische Justiz, die nun so oft beschworen wird, es ist nur konsequent. Es gibt in jeder demokratischen Gesellschaft Grenzen, die zu ihrem Schutz nicht überschritten werden dürfen.

Wer sie verletzt, muss sich der Folgen bewusst sein.

Ihre Interpretation freilich obliegt der letzten Instanz, dem Höchstgericht. Und hier wird es spannend.

Demokratische Gesellschaften bauen auf Prinzipien auf. Etwa auf jenem, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Ausnahmslos alle Menschen, mithin auch Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Minister. Und genießen diese während ihrer Amtszeit ein gewisses Maß an Immunität vor Strafverfolgung, so entfällt diese in aller Regel mit dem Verlust des Amtes. Dann sind diese Personen auch für mögliche Vergehen während ihrer Amtszeit verantwortlich.

Herr Trump bestreitet das. Er reklamiert volle, lebenslange Immunität für sich. Unantastbarkeit. Er habe, als Präsident, die USA verkörpert. Mithin seien seine Interessen die Interessen der USA. Ludwig des 14ten „L'Ètat c'est moi“ lässt grüßen. Der Absolutismus.

Im Kern dreht sich damit bei allen Verfahren rund um die Wahlen 2020 und den 6. Jänner 2021 alles um diese eine Frage: Steht der Präsident über dem Gesetz? Es geht bei dieser rechtlichen Entscheidung um mehr als nur um Herrn Trump. Es geht um die Demokratie in den USA. Genießt der Präsident für alle seine Handlungen im Amt lebenslange Immunität, gibt es nichts, was ihn bremsen, ihn einhegen, ihn zur Verantwortung ziehen kann, dann ist das gesamte System der Checks and Balances Makulatur.

Folgt der US Supreme Court in der Interpretation der dritten Klausel des 14 Verfassungszusatzes dem Supreme Court von Colorado, dann ist Trump als Kandidat Geschichte. Nicht als politischer Faktor. Erkennen die Richter des Höchstgerichts hingegen, dass die Bestimmung auf den Präsidenten nicht anzuwenden sei, ohne sich zur behaupteten lebenslangen Immunität zu äußern, dann spielen sie den Ball vorderhand an die Wählerschaft weiter. Entscheidet der Supreme Court hingegen zugunsten der lebenslangen, uneingeschränkten Immunität des Präsidenten, ermöglicht er die Errichtung einer autoritären oder gar diktatorischen Gewalt auf legalem Wege.

Dann ist es wieder an den Wählern zu entscheiden, im Wissen um die Folgen. (fksk, 28.12.23)