Wendelstein 7-X. Diese Bezeichnung könnte einem Hollywood-Streifen entstammen. Inhalt: Eine geheime Anlage zu Erforschung einer unendlichen Energiequelle. Wer sie beherrscht, beherrscht die Welt. Ein Film mit Schurken, Helden, angesiedelt in einem mittelalterlichen Gemäuer, Burg Wendelstein, irgendwo in deutschen Landen.
Mittelalterlich ist Wendelstein 7-X nun wirklich nicht und auch keine Burg. Schurken gibt es keine. Es geht denn auch nicht um die Erringung der Weltherrschaft, sondern darum, der Kernfusion einen großen Schritt näher zu kommen. Wendelstein 7-X ist eine Fusionsanlage des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern.
Hier wird dieser Tage und Wochen Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Denn in Wendelstein 7-X sollen die höchst komplexen Magnetfelder erforscht werden, die nötig sind, das heiße Plasma in Schwebe zu halten. Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche und kontrollierte Kernfusion in einem Kraftwerk.
Am 10. Dezember erzeugte Wendelstein 7-X erstmals Plasma. Für die Dauer einer Zehntel-Sekunde. Bei einer Temperatur von rund einer Million Grad Celsius. Ein erster Erfolg auf einem langen Weg.
Die Kernfusion ist ein großes Versprechen. Sie hat das Potential, alle Energienöte der Welt ein für allemal zu lösen. Ein paar Gramm Wasserstoff genügen zum Betrieb eines Großkraftwerks. Oder, in konkreten Zahlen ausgedrückt: Ein Gramm Wasserstoff kann elf Tonnen Kohle ersetzen. In der Ausbeute der Energie. Emissionsfrei. So gut wie strahlungsfrei. Und sicher.
Die Sonne ist ein einziges großes Fusionskraftwerk. Ohne Unterlass fusionieren Wasserstoffatome zu Helium und setzen dabei Energie frei. Sie ist das Vorbild. Also müssen Zustände und Bedingungen erreicht werden, die jenen der Sonne entsprechen. Höchste Temperaturen, 100 Millionen Grad. Erst dann prallen in dem Plasma die Atomkerne so heftig aufeinander, dass sie verschmelzen. Kontrolliert und in Zaum gehalten werden muss dieses Plasma von einem Magnetfeld.
Eine Herausforderung, die von vielen als Phantasterei abgetan wird. Seit Jahrzehnten wird an der Kernfusion geforscht und gearbeitet, einen funktionierenden Kernfusionsreaktor gibt es nach wie vor nicht. Verzögerungen sind an der Tagesordnung. Der europäischen Reaktor ITER in Frankreich hätte 2016 fertig sein sollen. Für 2025 wird seine Inbetriebnahme nun avisiert. Die Kosten werden sich verdreifachen. Voraussichtlich. Strom ins Stromnetz wird ITER nicht einspeisen. Das soll, so alles funktioniert, seinem Nachfolger vorbehalten bleiben, der ab 2040 gebaut werden soll.
ITER ist ein Tokamak-Reaktor. Mit einem entscheidenden Nachteil. Das Magnetfeld kann das Plasma nur für jeweils acht Minuten einschließen – dann ist erst einmal eine Pause angesagt. Wendelstein 7-X hingegen ist ein Stellarator-Reaktor. Die Magnetspulen erscheinen seltsam verformt und verbogen, haben indes das Potential, das Plasma länger und besser zu halten. 2020 soll eine halbe Stunde erreicht werden. Schritt für Schritt und quälend langsam nähern sich die Physiker dem großen Ziel, mittels des kontrollierten, künstlichen Sonnenfeuers die Energieprobleme dieser Welt zu lösen. Denn nichts weniger wäre mit der Kernfusion verbunden.
Deutsche Umweltschutzverbände indes laufen Sturm gegen Wendelstein 7-X und die neue Nukleartechnologie. Zu teuer sei sie, meinen sie. Vor allem aber käme sie zu spät. Bis aus Kernfusion Energie gewonnen werden kann, müsse ohnedies komplett auf emissionsfreie und erneuerbare Energien umgestellt sein. Die Finanzmittel für die Fusionsforschung wären andernorts besser investiert. Diese Argumente erinnern an jene, die vor 30 Jahren gegen Photovoltaik, Solar- und Windenergie vorgebracht wurden. Sie klingen alt. Und selbstgerecht. (fvk)