Neutralität

Ampelträume, nüchtern betrachtet

Es muss, was rein rechnerisch sich ausgehen mag, politisch noch immer nicht realistisch sein. Etwa die Ampel in Österreich. In Umfragen hätten Rot, Grün und Pink derzeit eine Mehrheit im Nationalrat. Laut Umfragen wäre eine derartige Koalition bei nicht wenigen Menschen in Österreich auch wohlgelitten. Weswegen Wohlmeinende Neuwahlen kaum erwarten können.

Allein, die Wirklichkeit sieht anders aus.

Die Vorsitzende der österreichischen Sozialdemokratie dekretiert dieser Tage, es mögen andere über die Neutralität reden, sie denke nicht daran an der Debatte teilzunehmen. Und, fügt sie hinzu, sie wolle, hoffe, dränge auf eine diplomatische Lösung des Kriegs in der Ukraine.

Die Vorsitzende der österreichischen Liberalen stellt die Neutralität durchaus in Frage, drängt auf eine inhaltliche Debatte, verweist auf durch den Krieg in der Ukraine veränderte Rahmenbedingungen in der Sicherheitspolitik. Und hofft auf einen militärischen Erfolg der Ukraine.

Der Vorsitzende der österreichischen Grünen schweigt. Und spielt also keine Rolle.

Wenn aber zwei potentielle Partner in einer Grundsatzfrage so sehr divergieren, wenn der eine nicht reden will, wo der andere Gesprächsbedarf sieht, dann fehlt es an Gemeinsamkeit. Und das ist nicht die einzige Divergenz. Von Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik ist hier noch nicht einmal die Rede. In diesen Feldern geben sich die Sozialdemokraten durchaus pointiert. Nur teils ganz und gar anders gelagert in Zugang, Wissen und Schlussfolgerungen als die Liberalen. Der Gemeinsamkeiten sind, nüchtern betrachtet, nicht viele.

Eine Ampel in Österreich mag dem politischen Farbenspiel dienen, sie mag Wähler mobilisieren und Kommentatoren beflügeln, Aussicht auf Realisierung hat sie kaum. Dazu sind die Sozialdemokraten schlichtweg zu konservativ.

Ihnen bleibt die ÖVP. Wie immer. (fksk, 30.05.22)

Was die Menschen nicht wollen

Die Schweiz evaluiert ihre Sicherheitspolitik und erwägt eine engere Zusammenarbeit mit der Nato. Finnland und Schweden treten dem Nordatlantikbündnis bei. Und in Österreich berufen sich Regierung und Opposition darauf, dass zwischen 80 und 90 Prozent der Bevölkerung die Neutralität beibehalten und der Nato nicht beitreten wollen, und also den Wünschen der Bevölkerung Rechnung zu tragen und eine Debatte über die österreichische Sicherheits- und Neutralitätspolitik nicht zu führen sei. Weil die Menschen das nicht wollen.

Die Menschen wollen auch keine Steuern zahlen.

Sie wollen keine korrupten Strukturen.

Sie wollen keine Zweiklassenmedizin.

Alles das ist legitim. So wie jede Diskussion, jede Debatte. Zumal wenn es um politische Inhalte geht, um eine Evaluierung althergebrachter Handlungsmuster, um Verbesserungsmöglichkeiten, um Perspektiven. Und um eine klare, erkennbare Strategie.

Demokratie heißt, den Menschen auch etwas zuzumuten. Etwa fundiert und frei von Polemik die Neutralität des Landes auf den Prüfstand zu stellen, die sicherheitspolitischen Voraussetzungen zu analysieren, und – Tatsachen als Tatsachen zu benennen, wenn es um das überaus aktive und solidarische Verhalten Österreichs in der Zusammenarbeit mit den EU-Militärstrukturen und der mit der Nato-Partnerschaft für den Frieden geht.

Tatsache ist, Österreich ist kein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer. Die Republik, allen voran ihre Soldaten, leisten aktiv ihren Beitrag. In Bosnien-Herzegowina, in Kosovo, in Mali, im Libanon, im Irak, und und und.

Es ist, vollkommen unabhängig vom Krieg in der Ukraine, wenngleich durch ihn initiiiert, an der Zeit, diese Debatte zu führen. Um der Ehrlichkeit willen. Für manche mag das verstörend sein. Das nennt man dann Politik. (fksk, 17.05.22)